Donnerstag, 17. April 2008

Anette Halbestunde im Starbucks oder ein Flirt im Red Sea

Am 5. März, an unserem vorletzten Tag in Dschidda,
kamen wir in den Genuss der „iftitah“ der Shopping
Mall „Red Sea“.
Auf dem Weg zur Eröffnung dieses neuen Einkaufsparadies
kursierte in unserem Bus das Gerücht um eine „ihtifal“,
da die eine oder der andere Probleme bei der Aussprache
dieser zweier Wörter hatte.
Letztlich hat sich das dann doch schnell geklärt, dass
es sich bei einer „ihtifal“ um eine Feierlichkeit handelt
und bei einer „iftitah“ um die Eröffnung, eben dieser
riesigen Shopping Mall namens „Red Sea“.
Die sprachliche Klarstellung schmälerte in keiner Weise
unsere Vorfreude auf diese Megashopping Mall, da zu einer
„iftitah“ auch immer eine „ihtifal“ gehört.

Es gab einen gewaltigen Ansturm auf diesen Gebäudekomplex.
Unser Busfahrer musste sich zuerst an dem Stau, der sich
an der Einfahrt stetig verlängerte, vorbeimogeln, um einen
Parkplatz zu finden. Erst nachdem alle vier Räder des
Busses standen, ließ uns unser Begleiter Turki aussteigen.
Ich dachte schon, dass es sich dabei um Stunden handeln
würde. Jedoch standen wir schon alsbald vor Gate 8, um
uns auf eigene Faust zum Bummeln auf zu machen. Beim
Betreten hatte ich das Gefühl an einem Flughafen zu sein.
Gate. Wie am Flughafen. Alles war genauso groß. Man
verläuft sich ständig, irrt andauernd herum und ist
auf der Suche nach dem richtigen Ausgang. So fühlte
sich das für mich an.
Gate 8, klingt fast wie „Gibt acht!“, wenn man es zur
Hälfte Deutsch ausspricht.
Tick, tack, tick, tack... Die Zeit läuft. Exakt 90
Minuten bekamen wir, um den Laden leer zu kaufen.
Keine Minute länger.

Die Gruppe blieb die ersten 400m zusammen und steuerte
zielstrebig auf den Mittelpunkt der verschachtelten
Shopping Mall zu.
Hier tummelten sich die vielen Gäste, da es dort am
meisten zu glotzen gab.
Dort gab es eine riesige beleuchtete Fläche in Form
von Kästchen wie bei einem Schachbrett. Solange
gegenüber am anderen Mittelpunkt die Brunnen ihre
Springkünste vorführten patrouillierte darauf ein
Wachmann.
Inklusive dem Keller gab es auf insgesamt vier Etagen
was zu sehen.
Kind und Kegel klebten am Glas der Geländer, wie die
Fliegen an der Windschutzscheibe eines Autos, um dem
Treiben der durch die Luft fliegenden Wassermassen
zuzuschauen. In Aufsicht ihrer Mütter, Väter,
Tanten und Onkels, die aufgrund ihres Wachstumsvorsprungs
über dem Geländer hingen, konnte das Wasserspiel seinen
Lauf nehmen.
Dazu gab es ein kräftiges Geplärre von der Moderatorin
in ihr Mikrofon und ein wuchtiges Scheppern der Musik
aus den Lautsprechern. (Später verlagerte sich die
Attraktion vom Brunnen zur Spielwiese. Großkopfartige
Fußballstadionmaskottchen bzw. überdimensionale
Clownköpfe heizten den Kindern Freude zur langen
Bindung an Marken – im Marketingdeutsch Brands – ein.)

Die Shopping Mall ist ein öffentlicher Raum. In ihm
treffen sich Männlein und Weiblein. Alles geschieht
unter dem Vorwand des Konsums. Zentraler Punkt
dieses An-sich-heran-Pirschens ist das Café. Es
befindet sich hoch oben in der Mitte des Einkaufszentrums,
um wie von einer Loge herab das Treiben und Wuseln der
Artgenossen in den Einkaufsläden verfolgen zu können.
Dennis und ich hielten uns während der wilden
Springbrunnenaktionen im Starbucks auf, quasi im Herz
der „Red Sea“.
Der Nase nach drückte ich mich ans Geländer vor,
um einen Wasserspritzer abbekommen zu können.
Dabei rempelte ich versehentlich eine junge
Saudi-Araberin an.
Prompt entschuldigte ich mich für mein Vergehen
in Arabisch.
Kurze Zeit später entschieden wir beide uns doch
endlich für den Kauf unserer beider Becherkaffee.
Gestärkt mit einem Becher Eiskaffee in der Hand und
Strohalm drin, bin ich Dennis langsam Richtung
Ausgang des Cafés hintergeschlurft.
Plötzlich sprach mich das Mädchen, welches ich
zuvor versehentlich berührt hatte, in Englisch
an, woher ich den Arabisch könne.
Hopla! Ein saudi-arabisches Mädchen spricht
einen Fremden.
Ich war vollkommen perplex. Ich schaute bestimmt
wie ein U.F.O.
Während meiner Erstarrung war Dennis schon längst
am Ausgang angelangt und bekam anfangs von unserem
Gespräch nichts mit.
In gebückter Haltung bat ich sie höflich um an
ihrem Tisch Platz nehmen zu dürfen.
Sie willigte ein.
Unsere Unterhaltung führten wir in Englisch.
Schon bald nach unserer kurzen Vorstellung
habe ich Dennis zurück an unseren Tisch gewunken.
Ich stellte ihr Fragen im Stile des small-talks,
wie z.B. warum sie denn so einwandfreies Englisch
spräche. Wie sich in ihrer Antwort herausstellte,
war sie schon für ihr junges Alter von ca. 19
(bis 21?) Jahren weit in der Weltgeschichte
herum gekommen. So hatte sie bereits längere
Aufenthalte in Amerika, Kanada, Italien, Spanien,
Frankreich, England, ja sogar in Deutschland
vorzuweisen. Allerdings sprach sie nur bröckchenhaft
Deutsch. Dennis preschte mit sozial-kritischen
Fragen vor. Allerdings fielen ihre Antworten
nicht gerade (selbst)kritisch bzw. reflektiert
aus. Auf die Frage was sie denn davon hält, in
Saudi-Arabien die Abaya tragen zu müssen, wo sie
doch bestimmt sexy gekleidet in Nordamerika und
Europa gereist war, meinte sie nur knapp, dass
man anhand der Verschleierung der Frau den Grad
ihrer Religiösität feststellen kann. Aha.
Nach kurzer Zeit, etwa 15 min., kam ihre Freundin
zu uns dreien hinzu. Leider begann die Vorstellungsrunde
von neuem. Dies verzögerte nur unnötig unsere
Gesprächszeit. Ich hatte das Gefühl in einem
Starinterview zu sein. Nur 25 min. Zeit, dann
müssen wir abziehen. Meine Befürchtung wurde
von den ständigen Anrufen ihres Bruders, wie
sich später herausstellte, bestätigt. Er
verhörte sie, wo sie sich denn gerade befinde,
was sie denn gerade mache, etc.
Nach einer knappen halben Stunde stand er auf
der Matte. Dennis äußerte sich mir gegenüber
noch optimistisch:
- „Du wirst sehen, sobald wir ihm verklickert
haben, dass wir mit seiner attraktiven Schwester
nichts unanständiges vorhaben, sitzt er bei uns
und lauscht unserer Unterhaltung.“
- „Nee, das glaube ich nicht. Sobald der neben
uns steht ist unser Gespräch beendet.“
Genau so geschah es. Ihr Bruder kam vorbei und
holte seine Schwester plus ihre Freundin ab.
Plötzlich musste sie aus irgendwelchen wichtigen
Gründen das Café verlassen.
Die nette halbe Stunde war vorbei.

Dennis und ich drehten noch ein paar Runden durch
die Hallen der „Red Sea“, bevor wir zu unserem
Treffpunkt zurück gekehrt sind. Wir waren ein
paar Minuten, inklusive unserem Begleiter Turki,
zu früh da.
Wir erzählten ihm sofort unsere Geschichte.
Daraufhin war Turki der Ansicht, dass es eine
schöne Geschichte sei. Solche Zufälle seien
in seinem Land gang und gäbe. Ist doch alles
wunderbar!
Nur schade, dass ich ihre Nummer nicht
abgestaubt habe...

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